'step by step und andere Tänze'      

Galerien für Kunst und Technik Schorndorf

„Den gezeigten Installationen gemeinsam ist eine zentrale Kategorie, von der das
Werk Josefh Dellegs durchzogen ist: das Serielle, das Repetitive, die Wiederholung,
Vervielfältigung und Addition von Einzelelementen. Zyklische Prozesse im
Kulturellen, im Sozialen wie im Politischen – das sind die Vorgänge, um die sich die
Arbeit des Künstlers seit jeher dreht. Seine Kunst ist geprägt von dieser Wiederkehr,
in der das Einzelne, eingebettet in eine Struktur von Wiederaufnahmen, zum
Typischen und zur Metapher für Existentielles gerät.
Die Ausstellung konfrontiert uns also mit Leerläufen unterschiedlicher Art.
Durchgängiges Thema ist die Kreisbewegung, das Zirkulieren – exemplarisch zum
Ausdruck gebracht in einer raumfüllenden Bodenarbeit: einer Anordnung von
Leisten. Prototypen von Schuhwerk kommen wie in militärischer Disziplinierung
gleichgetaktet daher. Und die Schuh-Körper sind bedeckt mit fragmentierten
Landkarten, als hätten sie Schritt für Schritt die erobernde und zerstückelnde
Landnahme in sich aufgenommen: Das Usurpierte klebt den Usurpatoren an den
Füßen. Diese Phalanx kommt aus dem Nichts, blind einherschreitend ins Nichts,
wobei das Ordnungsraster am Boden die Richtung vorschreibt, jeder Einzelne in den
Fußstapfen des Vorgängers, unmöglich ein Aus-der-Reihe-Tanzen. Im Gleichschritt
der anonymen Formation vollzieht sich der Aufmarsch der Staatsmacht. Schrittweise
wird ein Territorium ausgemessen und besetzt: die ewige Infanterie auf dem
Vormarsch, kein Ende absehbar. Massen im maschinellen Gleichtakt oder – wie
bereits Ernst Moritz Arndt den preußischen Exerzierstaat charakterisierte:
„Übereinstimmung und Gleichbeweglichkeit des ganzen, totes Maschinenleben ohne
Gefühl, als das der Ehre, von einem Einzigen bewegt zu werden.“
Doch der Vorwärtsdrang wird ergänzt durch die Kreisbewegung: Die Kolonnen
zeigen hin und wider Flagge. Erfundene Fahnen noch nicht einmal erfundener
Länder recken sich empor, visuelle Hymnen, Logos fiktiver Nationalitäten zwar, aber
irgendwie doch bekannt vorkommend, denn nie sehr weit entfernt von den
koloristischen Selbstdarstellungen real existierender Staaten. Zaghafte Zeugnisse
von Individualität regen sich also inmitten des allgemeinen Fortschreitens.
Doch selbst wenn hie und da das Individuelle hochgehalten wird, läuft es doch leer,
rotiert es, leise surrend, folgenlos um sich selbst. Die Weltgeschichte – als
Geschichte territorialer Eroberungen unter wechselnden Parolen – wiederholt sich
nach demselben Muster, sie kann gar nicht anders, wird sie doch hervorgebracht von
Individuen, denen die Lernfähigkeit im Schutz des Kollektivs regelmäßig abhanden
kommt. Der geordnete Fortschritt der Kommissstiefel, einmal in Marsch gesetzt,
kennt keine Umkehr.
Diese Installation thematisiert also jenes Weitermachen entgegen alle Vernunft, das
uns heute allenthalben – nicht nur auf militärischem Sektor – zu schaffen macht.
Denn Gleichschaltung zum erstarrten System hat noch immer zu dessen Kollaps
geführt.“

Dr. Harald Kimpel